Können Akteure im Wettbewerb moralisch handeln?

Prof. Karl Homann, Spiritus Rector des WZGE, stellte sich der Diskussion im Doktorandenkolleg.

 

Prof. Dr. Dr. Karl Homann, einer der Gründungsväter der Wirtschaftsethik in Deutschland, ist seit über 10 Jahren im Ruhestand. Was dem emeritierten Professor für Philosophie und Ökonomik an der Ludwig-Maximilians-Universität München seitdem besonders fehlt, ist der Austausch mit Studierenden. Umso erfreuter war er über die angeregte Diskussion mit den Doktorand*innen des Kollegs „Ethik und gute Unternehmensführung“ am 5. Juni.

Ausgangspunkt der Diskussionen war die von Homann seit den 1990er Jahren entwickelte wirtschaftsethische Grundkonzeption, in der es um das Spannungsverhältnis von Ethik und Ökonomik, von Moral und Eigeninteresse geht. Sein Anliegen, Moral in der modernen Gesellschaft und Wirtschaft zur Geltung zu bringen, gründet zum einen in den ethischen Grundprinzipien: der Würde des Einzelnen und der Solidarität aller Menschen. Zum anderen betrachtet er als Ökonom die Anreize des Einzelnen, die es im Wettbewerb oft nicht zulassen, moralisch zu handeln, wenn dieses mit Kosten verbunden ist und von Konkurrenten ausgebeutet wird („Der Ehrliche ist der Dumme“). Anschaulich wird diese vertrackte Logik im spieltheoretischen Gefangenendilemma: Obwohl das Individuum sich kooperativ verhalten möchte, wird es durch die Systemlogik, d.h. den Wettbewerb, zum Defektieren gezwungen. Als Lösung bietet Homann eine starke Rahmenordnung an, die den Wettbewerb zulässt, wo er gesellschaftlich erwünscht ist (Preis, Qualität, Innovationen) und ihn für alle außer Kraft setzt, wo er für die Gesellschaft schädlich ist (Ausbeutung, Korruption, Umweltverschmutzung). So kommt er als Philosoph zu provokativen Thesen: „Der systematische Ort der Moral im Wettbewerb ist die Rahmenordnung“. Und: „Alle Moral ist systematisch auf eine Unterlegung durch ökonomische Vorteilserwartungen angewiesen.“

Im Gespräch mit den Doktotorand*innen entspannten sich angeregte Diskussionen um die Möglichkeiten und Grenzen der Individualmoral sowie die Vorteile von Unternehmensverantwortung als Wettbewerbs-/Produktionsfaktor. Als größte reale Herausforderung unserer Zeit wurde das Fehlen von weltweit gültigen und durchsetzbaren Rahmenordnungen gesehen, etwa beim Klimaschutz, bei der Finanzmarktregulierung und in der Digitalwirtschaft. Egoistische Eigeninteressen von Staaten, Unternehmen oder Interessengruppen, fehlende Kenntnisse der Geschäftsmodelle und mangelndes Wissen über Interdependenzen zwischen Systemen seitens der Regulierer sind dabei große Hemmnisse. Die Doktorand*innen, die teilweise zu spezifischen Fragen promovieren, aber auch Prof. Homann als WZGE Stiftungsratsvorsitzender werden weiter an diesen Fragen arbeiten.