Ethische Aspekte der digitalen Energiewende

Auf dem 4. Windbranchentag Schleswig-Holstein am 23. Mai in Husum mit rund 600 TeilnehmerInnen referierte Dr. Martin von Broock zum Thema „Vertrauen und Bindung“

Gerade in der Energiewende werden die Chancen digitaler Innovationen bereits heute sichtbar: Mit intelligenten Netzen, digitalen Stromzählern und flexibel regelbarer Haustechnik könnten bereits heute Stromangebot und -nachfrage effizienter zusammengeführt werden. Dadurch ließen sich mehrere Großkraftwerke einsparen, dezentrale Anlagen besser einbinden und für den einzelnen Stromkunden obendrein entlastende Zusatzservices realisieren. Warum kommt der Ausbau der digitalen Infrastruktur trotz dieser Kooperationsgewinne dennoch so langsam voran? In seinem Impuls legte Dr. Martin von Broock dar, dass neben technischen Fragen auch ethische Konflikte zu lösen sind. 

Deutlich machte es dies am Zusammenhang von Vertrauen, Verletzbarkeit und (Selbst-)Begrenzung:

Digitale Innovationen benötigen Vertrauen. Denn sie funktionieren nur durch die Bereitstellung von Daten. Menschen teilen ihre Daten im Vertrauen darauf, dass sie im Gegenzug entlastet werden, d.h. neue Entfaltungsmöglichkeiten oder Freiheiten gewinnen. Indem Menschen ihre Daten anderen anvertrauen, machen sie sich indes gleichzeitig verletzlich. Verschiedene Datenskandale von Unternehmen oder auch staatlichen Einrichtungen zeigen, wie Konflikte zwischen informationellem Selbstbestimmungsrecht einerseits und einem wirtschaftlichen oder auch gesellschaftlichen Datenverwertungsinteresse andererseits entstehen. Heißt: Die im Kontext der Energiewende bereitgestellten Daten könnten grundsätzlich von Unternehmen oder auch staatlichen Einrichtungen für Zwecke genutzt werden, die den Einzelnen faktisch nicht ent- sondern letztlich belasten. Tatsächlich fürchten laut dynamis Nachhaltigkeitsbarometer zur Energiewende viele Bürger nachteilige Tarifmodelle oder steuernde Eingriffe durch ihre Energieversorger. Vorbehalte gibt es gemäß anderer Umfragen grundsätzlich auch gegen automatisierte Entscheidungen.

Daraus folgt: Wer Vertrauen einfordert, muss sich in seinen Optionen begrenzen und Schädigungen anderer glaubwürdig vermeiden. Das kann in gewissem Maße durch Selbstbindung erfolgen, indem datenverwertende Akteure bestimmte Handlungsmöglichkeiten ausschließen und sich dabei auch Überprüfungen durch Dritte unterziehen. Zweifellos werden sich aber nicht alle mit der digitalen Energiewende einhergehenden Konflikte allein durch Selbstbindung lösen lassen, wie die aktuellen Diskussionen zu Smart Meter zeigen. Denn gerade im Wettbewerb um den Zugang zu Datenschnittstellen und dem Streben nach einflussreichen Plattformen bedarf es klarer Spielregeln, die einen gemeinsamen verbindlichen Rahmen setzen. Die ethischen Prämissen für ein solches Spielfeld sind gerade Gegenstand verschiedener Kommissionen und Beiräte auf europäischer und nationaler Ebene. Welche gemeinsamen Eckpunkte sich daraus abzeichnen, legte Dr. Martin von Broock abschließend dar.